KINDER UND JUGENDZENTRUM GERALD

Die mongolische Bevölkerung lebte bis Anfang des 20. Jahrhunderts aufgrund des unwirtlichen Klimas fast ausschließlich als nomadische Viehzüchter in Jurten. Erst zu dieser Zeit entstanden durch den chinesischen Einfluss die ersten stationären Gebäude und somit kleinere Städte in der Mongolei.
Es konnte sich daher nie eine landeseigene Bautechnik für sesshaftes Wohnen entwickeln. Dies ist jetzt mitunter ein Grund für die prekäre Wohnsituation der Bevölkerung.

Seit dem Zusammenbruch der früheren Sowjetunion und des Ostblocks Anfang der 90-er Jahre des vorigen Jahrhunderts hat sich die Wohnsituation in der Mongolei drastisch verändert.

DAS WARME HAUS FÜR COOLE KIDS!
AUSSEN -40° C, INNEN +20° C

HISTORISCHE ENTWICKLUNG IN DER MONGOLEI

„Jeder Geist baut sich selbst ein Haus und jenseits dieses Hauses eine Welt
und jenseits dieser Welt einen Himmel.“
Ralph Waldo Emerson

LEBEN IN ULAN BATOR
In der kältesten Hauptstadt der Welt, Ulan Bator, haben sich die Lebensumstände durch den Zuzug von hunderttausenden Nomaden rapide verschlechtert. Sie alle sind auf der Suche nach Arbeit und einer Lebensgrundlage. Ihr Leben auf dem Land haben sie aus Mangel an eben diesen Möglichkeiten aufgegeben.

Die Stadt Ulan Bator ist und war mit der Lösung der infrastrukturellen Probleme überfordert. Aufgrund der Armut in der Bevölkerung entwickelten sich so an den Stadträndern riesige informelle Siedlungen (so genannte Ger areas) aus Jurten, Baracken und einfachsten Häusern, die in keiner Weise ein menschenwürdiges Leben ermöglichen.
Die Jurte, die über Jahrtausende die traditionelle Behausung der Mongolen bildete, ist den Anforderungen an Wohnen in der Großstadt nicht gewachsen.

Vor allem die Kinder sind die Leidtragenden der wirtschaftlich tristen Situation der meisten Familien.
Sowohl die Suche nach Beschäftigung als auch die Arbeitstätigkeit bringen die Notwendigkeit einer Kinderbetreuung mit sich. Ebenfalls gibt es für die meisten Familien keine Möglichkeit die Kinder zu beaufsichtigen.
Dies hat zur Folge, dass viele Kinder keine adäquate Schulbildung erhalten und den ganzen Tag oder zumindest in den Nachmittagsstunden völlig sich selbst überlassen sind.

Dies ist im Sommer schon problematisch genug, aber im fast 8 Monate dauernden, von extremer Kälte geprägten Winter ist die Situation vieler Kinder menschenunwürdig und unerträglich. Immer wieder versuchen die unbeaufsichtigten Kinder Feuer zu machen um nicht zu erfrieren. Dabei sind sie großer Gefahr des Hausbrandes ausgesetzt, weil sie im Umgang mit den einfachen und ineffizienten Öfen nicht geschult sind.

ENTSTEHUNGSGESCHICHTE

„Über alles Geistige und Intellektuelle, über Philosophie und Theologie erhaben ist die Hilfsbereitschaft von Mensch zu Mensch, die Aufgabe, da zu sein.“
Albert Schweitzer

Im Zuge eines Studentenprojekts an der TU-Wien bekamen wir — Bakk. techn. Sebastian Brandner und DI Christoph Grabner — die Aufgabe gestellt, ein neues System für eine Familienwohnmöglichkeit in der Mongolei zu entwickeln.

Die Grundmotivation dahinter war, die bisher vorherrschende traditionelle Jurte, die im urbanen Raum nicht mehr als Wohnunterkunft funktioniert, sukzessive durch ein kostengünstiges, innovatives System zu ersetzen. Dadurch wäre es möglich die Lebensqualität der Menschen in der kältesten Hauptstadt der Welt, Ulan Bator, erheblich zu verbessern.
Die traditionelle Jurte weist kaum eine Wärmedämmung auf und die Familien sind oft auf extrem kleinem Raum zusammengepfercht. Aufgrund der fehlenden Wärmedämmung und des schlechten Heizmaterials entsteht eine enorm hohe Luftverschmutzung, woraus viele Krankheiten im speziellen Lungenerkrankungen resultieren.
Ein weiteres Problem ist der Ressourcenmangel an geeigneten Brennmaterialen.

DAS PROJEKT BEKOMMT EINEN NAMEN – GERALD.
Mit der Entwicklung von GERALD haben wir uns zur Aufgabe gemacht dieses Problem in neuer Form zu lösen!

Mittlerweile wurde das Projekt beim internationalen Studentenwettbewerb „Blue Award“ als Preisträger nominiert.

 GERALD - DIE IDEE

„Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist.“
Victor Hugo

GERALD – der neue Haustyp in der Mongolei
Gerald wurde im ersten Schritt als neuer Haustyp für die Ärmsten der Armen in den Slumvierteln, den so genannten Ger districts von Ulan Bator in der Mongolei, geplant. Die geänderten Lebensumstände und die daraus entstandenen Probleme der sesshaft gewordenen Mongolen verlangten nach neuen Antworten.
Dabei haben wir hohen Wert auf traditionelle, regional verfügbare Materialien und einfachste Bautechnik gelegt. Die Wände sind wie bei der klassischen Jurte aus Schafwolle, jedoch wird sie mit Filz zu dicken Kissen vernäht und bildet somit eine hervorragende, leicht herzustellende Wärmedämmung. Die Holzkonstruktion wird, der Holzknappheit des Landes Rechnung tragend, statisch extrem reduziert und damit auch kostengünstig.
Gerald ist 10fach energieeffizienter, modular aufgebaut und kann, ganz im Gegensatz zur Jurte, nach allen Seiten erweitert werden und somit mit den Familien und auch den finanziellen Möglichkeiten der Bewohner mitwachsen.

GERALD - DIE WEITERENTWICKLUNG
Gemeinsam mit unserem Kollegen Architekt Martin Summer - Gründer der NGO „AIUTO“ und damaligen Betreuer unseres Entwurfsprojektes haben wir aufgrund einer aktuellen Anfrage durch konsequente Adaptierung unseres Systems ein Kinder- und Jugendzentrum entwickelt.

GERALD - DIE UMSETZUNG
Das ambitionierte Ziel ist, ein Gebäude für die Nachmittagsbetreuung von Kindern bzw. Jugendlichen zu errichten. Der Bauplatz ist im Jurtengürtel (Ger district) der mongolischen Hauptstadt Ulan Bator. Kindern aus sehr armen Familien sollte eine sinnvolle, behagliche Freizeitunterkunft inkl. Beschäftigung ermöglicht werden. Der Zugang zu Bildung, Büchern, Computer und das spielerische Erlangen von Wissen sind ein wichtiger Bestandteil des Konzepts.
„Gerelt Mur“, eine Hilfsorganisation, die sich seit Jahren um Kinder in den Slums kümmert, wird die Betreuung des Zentrums übernehmen. Zusätzlich werden die Kinder bzw. Jugendlichen von sich in Ausbildung befindenden Lehrern im Rahmen eines universitären Pflichtpraktikums betreut.

Ein Team wird gemeinsam mit lokalen Spezialisten im Sommer 2010 das Projekt verwirklichen, damit es rechtzeitig vor Einbruch des strengen Winters in Betrieb genommen werden kann.

GERALD - DAS SYSTEM
Das System basiert auf dem Plan, Schafwolle und Filz zu einem Polster zu verarbeiten. Das gesamte Gebäude ist an die einheitliche Größe des Polsters mit 1,1m x 1,1m im Raster  angepasst. Dabei werden sie in einem Holzskelettbau eingeklemmt und dienen somit gleichzeitig als Fassade und Wärmedämmung. Durch die Teilung des Polsters in zwei Teile ergeben sich eine wasserabweisende Außenschicht und eine dämmende Innenschicht. Mongolischer Filz wird als Außenpolster und chinesischer als Innenpolster verwendet. Zwischen den Polsterebenen ist die statische Aussteifung des Gebäudes vorgesehen.

Chinesischer Filz ist ein industriell hergestelltes Produkt. Er ist gewaschen und ist kostengünstig zu bekommen. Er hat jedoch nicht die hohe Qualität des traditionell hergestellten mongolischen Filzes. Mongolischer Filz ist naturbelassen und wird direkt als Rohprodukt weiter verarbeitet. Aufgrund des hohen Fettgehaltes ist er sehr widerstandsfähig und wasserabweisend. Die Filzproduktion ist regional und erfolgt aufwändig per Hand.

1 Außenpolster
2 aussteifendes Holzpaneel
3 Innenpolster
4 Holzrahmenkonstruktion
5 Bretterboden
6 ausgegossener Autoreifen als Fundament

RAUMBESCHREIBUNG

Das Gebäude ist in einen Hauptteil (Gemeinschaftsraum) und einen Nebenteil, der den Eingangsbereich und Nebenräume beinhaltet, gegliedert. Die Holzkonstruktion zwischen Haupt- und Nebenteil wird als multifunktionale Trennwand konzipiert und beinhaltet Computerarbeitsplatz, Kochstelle mit Ofen, Bibliothek und Stauraum. Eine gespannte LKW-Plane wird als Dachhaut verwendet und bietet Wetterschutz. Der traditionelle Jurtenofen wird mit Wärmespeicherplatten verkleidet, um die stark verbesserte Wärmespeicherung zu nutzen.
Gleichzeitig werden noch zusätzliche Nutzfunktionen wie eine Kochmöglichkeit und ein Wasserspeicher zur Verfügung gestellt. Je nach Temperatur können die Fenster zusätzlich mit Polsterelementen verkleidet werden. Alte Autoreifen dienen als Schalung für Betonfundamente und stellen eine kraftschlüssige Verbindung mit dem Untergrund dar.

1 LKW- Plane
2 Außenpolster
3 Innenpolster
4 ausgegossener Autoreifen als Fundament
5 Holzrahmenkonstruktion
6 Bretterboden
7 modernisierter Jurtenofen

GERALD - HELFENDE HÄNDE

„Der großgesinnte Mensch wird überhaupt nicht oder ungern einen andern um etwas bitten, dagegen gern selber Hilfe leisten.“
Aristoteles

„AIUTO“ ist eine nichtstaatliche Organisation mit Sitz in Österreich, die von Martin Summer 2005 informell und 2007 als offizielle Organisation gegründet wurde. Der Grundgedanke der NGO war es, Jurten zur Verfügung zu stellen, um somit den ärmsten Menschen in den Slums von UIan Bator (Mongolei) ein Zuhause zu bieten. In den Jahren 2005 – 2007 sind immer wieder Teams aus Österreich in die Mongolei gereist, um dies umzusetzen.
Parallel dazu haben wir begonnen, uns mit Konzepten für eine nachhaltige Entwicklung der Ger-Distrikts zu beschäftigen. Es ging dabei sowohl um städtebauliche Aspekte als auch um die Implementierung neuer Technologien im Sinne nachhaltigen und leistbaren Bauens.
Die Mongolen haben ihre handwerklichen Fähigkeiten beim Bau der Jurten über Jahrhunderte perfektioniert. Gerald ist ein Gebäudetyp, der auf diesen traditionell überlieferten Fähigkeiten unter Verwendung von lokalen Materialien und einfachsten Techniken aufbaut.

„GERELT MUR“ ist eine nichtstaatliche Organisation mit Sitz in Ulan Bator, welche 2006 gegründet wurde. Das Hauptziel ist, Kindern und Jugendlichen von sehr armen Familien eine weiterführende Ausbildung zu ermöglichen. Es sollten die speziellen Potenziale, Talente und spezifische Interessen gefördert und unterstützt werden. Die finanzielle Zusammenarbeit besteht hauptsächlich mit in- und ausländischen Bürgern, Regierungs- und Nicht-Regierungs- Organisationen. Es werden auch verschiedene Arten von Charity- Aktivitäten zur Unterstützung dieser gefährdeten Gruppe von Menschen organisiert. „Gerelt Mur“ wird für die täglich, laufenden Aktivitäten im Zentrum für Nachmittagsbetreuung zuständig sein.

KONTAKT - TEAM GERALD

Singerstrasse 11C
A-1010 Wien
[fax] +43/1/512 94 89

ANSPRECHPARTNER
Planung, Projektentwicklung und Umsetzung
Bakk. techn. Sebastian Brandner

Planung, Projektentwicklung und Umsetzung
DI Christoph Grabner

Planung, Projektentwicklung und Umsetzung
Architekt Martin Summer
studio@baucombinat.at

PR und Sponsoraquise
Daniela Wachter